Ich treffe McBaby in einem Café in einem hippen Stadtteil in Queddlinsburg. Er ist pünktlich und sitzt bereits mit einem Kaffee an einem Tisch. Als ich ihn anspreche, schüttelt er mir freundlich die Hand, aber seine Augenringe sind tief und auf seinem gestreiften Hemd sind Flecken von billigem Fruchtaufstrich zu sehen. Seine musikalische Karriere hat in letzter Zeit an Fahrt aufgenommen, aber offenbar sind Abstriche an Schlaf- und Frühstücksqualität die Schattenseite des Erfolges.
IDEE: Herr McBaby – ich darf Sie doch McBaby nennen? – vor einigen Tagen ist Ihr neues Album „Ein Baby namens Babe“ erschienen. In Ihren Lyrics verarbeiten Sie Gefühle wie Schmerz, Verlust, Panik und undefinierbaren Juckreiz. Ein Kritiker nannte Ihre Musik „die Antwort einer vielleicht nicht verlorenen, aber auch nicht verlegten Generation auf die Schlaglöcher der kalten kapitalistischen Konsumgesellschaft der späten Siebzigerjahre. Die spitzen Schreie McBabys sind zu den Unheilserwartungen der überproduzierten Labelkultur, was kratzige Waschettiketten zu grell geblümten Schlaghosen sind.“ Anscheinend ist der Embolus Ihrer manisch-depressiven Beats die arteriosklerotische Veränderung, welche die Ska-Braggae-Szene seit Jahrhunderten so bitter nötig hat. Was haben Sie heute morgen zum Frühstück gegessen?
MCBABY: Toast.
IDEE: Nur Toast?
MCBABY: Toast mit Orangenmarmelade und schwarzer Kaffee.
IDEE: Wenige Künstler haben ihre Ohrwerkzeuge mit so einfältiger Fertilität auf die Bedürfnisse einer epigonalen peer group gemünzt. Freunde und Fans gleichermaßen sind überzeugt, dass Sie auf der Bühne Ihr wahres Ich zur Schau und damit multimedial zur Debatte stellen. Zugleich ist Ihre performative Persona von so ungewöhnlicher wie ungemütlicher Stringenz. Authentizität scheint die zweite Haut derjenigen geworden zu sein, die endgültig erkannt haben, dass sie nicht aus ihrer Haut können, und gleichzeitig der Grundstein für einen separaten Strang der ego-zentrierten Vermarktungs- und Versagungsbranche. Warum schwarzer Kaffee?
MCBABY: Ich bin laktoseintolerant.
IDEE: „Mama, Gimme Milk“, „Shotgun“, „Stranger Some Night“ – in vielen Ihrer Songs umzingeln Sie die kardiovaskulären Voraussetzungen einer anti-automatischen Monrose-Reihe. Offenbar haben Sie viel Zeit in den Sound eines idiosynkratischen Anachronismus verwendet. Mögen Sie eigentlich baked beans?
MCBABY: Nein.
IDEE: Wie in Ihrem Debütalbum „Machinations“ verhandeln Sie auch in Ihrem neuen Album die Anatomie der Verborgenheit. Auf dem Album sind zahlreiche easter eggs versteckt, die sich erst nach mehrmaligem Hören oder dem Lesen einschlägiger Online-Foren erschließen. Dies lässt auf eine Vorliebe für Eierspeisen wie Spiegelei, Rührei oder gar Eier Benedict schließen.
MCBABY: Das kann man so sehen.
IDEE: Ganz zu schweigen von pochierten Eiern.
MCBABY (lacht verlegen).
IDEE: Ihr mit Abstand erfolgreichstes Video im Internet ist ein aufwändiges Cover von David Bowies „Because You’re Young“. Haben Sie manchmal Angst, dass das Nachgemachte, das Unauthentische, der künstlich-künstlerische Verschnitt erfolgreicher ist als Ihr Ich, das Sie mit großer Ehrlichkeit musikalisch darbeiten?
MCBABY: David Bowie hat einmal sinngemäß gesagt, wenn er dazu beigetragen habe, dass Menschen mehr Persönlichkeiten an sich entdecken, als sie erwartet haben, sehe er seine Aufgabe als erfüllt. Ich betrachte auch diese Form der Arbeit als Facette meiner Persönlichkeit. Jede Darstellung ist auch Selbstdarstellung, jede Selbstdarstellung ist Darstellung.
IDEE: Gerüchten zufolge will der Kultregisseur Jacob B. Smarba Sie für seine Verfilmung von „Viel Lärm um Nichts“ in der Rolle des Laubbläser-Kommandanten casten. Zuvor hatten Sie schon mit Ihrem fast viersekündigen Gastauftritt in „Langsam & lethargisch XXVII“ Furore gemacht. Eines Ihrer Lieder, „Infant Monster“, taucht auch im Soundtrack auf. Fast wären Sie dafür für den Teekessel-Preis des Landkreises Celle nominiert worden. Apropos Tee: was ist Ihre Lieblingssorte Schwarztee?
MCBABY (rutscht unangenehm berührt auf seiner Stuhlkante hin und her): Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht.
IDEE: Als meine Frau, Balthasar, vor kurzem Himbeermarmelade gekocht hat, sagte sie zu mir, Ihr Auftritt in „Langsam & lethargisch“ habe ihr den unauslöschlichen Eindruck vermittelt, sie hätten gleichzeitig an politische Gefangene während des kalten Kriegs und das Falten von Geschirrhandtüchern nachgedacht. Mögen Sie eigentlich auch Himbeermarmelade?
MCBABY: Ja, schon.
IDEE: Justine Lieu, die bei „Langsam & lethargisch“ Regie geführt hat, ist dafür bekannt, an ihren Sets ein strenges Regiment zu führen, aber hervorragendes Catering anzubieten. Gab es beim Dreh verschiedene Frühstücksoptionen zur Auswahl?
MCBABY: Soweit ich mich erinnere, ja.
IDEE: Für was haben Sie sich denn entschieden?
MCBABY: Meine Szene hat 83 takes gebraucht, bis sowohl Justine als auch Ben (Hauptdarsteller Benedict Renner, Anm. d. Red.) zufrieden waren. Darum hatte ich reichlich Gelegenheit, alles durchzuprobieren, was das Buffet zu bieten hatte.
IDEE: Himbeermarmelade, Hundebeerkonfitüre, Stachelbeergelee – alles Fruchtaufstriche, die auf keinem Frühstückstisch fehlen dürfen. Was halten Sie denn von moderneren Alternativen wie Erdnussbutter und Hagebuttenmarmelade?
MCBABY: Ich bin da nicht so wählerisch.
IDEE: Was für ein Glück, dass wir den Luxus einer solchen Auswahl haben! Ich bedanke mich für Ihre Zeit, Herr McBaby.
Bevor ich McBaby gutes Gelingen bei seinen weiteren Vorhaben wünsche, überreiche ich ihm noch ein Glas von Balthasars selbstgemachter Brombeermarmelade mit. Sicherlich wird sie sich über den neuen prominenten Fan ihrer Marmeladenkochkunst freuen.