Die Geburt

Es verwandelte sich in eine Kastanie und fiel zu Boden. Es fiel zu Boden und rollte, gegenläufig zur Erdrotation. Wind und Kräfte zerrten an ihm. Ihm sprossen Fühler; grün und saftig keimten sie aus. Gefallene Blätter schlugen mit den Flügeln, ihren Paarungsduft verströmend, würzig und bitter. Halb bedeckt von ihnen, streckte es sich in die Länge, um sich weiterzubewegen. Eine Witterung nach Sturm flaute auf. Seinen Körper zusammen- und wieder auseinanderziehend, raupte es rückwärts, auf die Verheißung zu, zu tun, was seine Instinkte ihm zu tun hießen. Es wurde lauter. Absätze klirrten und schepperten um es herum, irre Stimmen, Grün und Farbe streckten ihre Tentakeln aus. Die Luft roch nach allem. Die Passanten trugen Regenbogen in ihren Taschen. Plakaten bewarfen sie indem sie, plötzlich hinter Müllcontainern hervorsprangen und sich heiser grinsten. Es war eine vierspurige Kreuzung auf einer Viehweide hinter einem Jägerzaun in einem Mischwald. Knapp unter der Erde dröhnte ein Motor. Seine Vibration warf es unkontrolliert hin und her, nur knapp an den Menschen vorbei, in die Fremde von Kellern und Garagen und in Schlaglöcher. Es hatte nicht genug Augen, um sie alle zu schließen. Es geriet in Panik. Es rollte sich zusammen und zog sich in seine spiralförmige Behausung zurück, doch darin wurde es nur noch beängstigender blind und wild zerworfen. Sich windend, von einer stinkenden Spirale eingeengt, fand es keine erträgliche Position. Es begann zu verrotten; dabei war es doch gerade erst aufgetaucht, gerade erst dabei, sich seiner selbst bewusst zu werden, ein Es zu entwickeln, das es sein konnte. Dieses Es hier wollte es nicht sein. So beschloss es zu fliehen.

Es wurde eine eintönige, kalte, öde Reise. Schließlich fand sie ihr Ende. Sie biss hinein und, nun ringförmig, verpuppte sie sich. Um sie herum war Wüste. Als sie aufwachte und sich auffaltete, war Regen gefallen. Brombeeren und Heckenrosen wuchsen. Beine ohne sichtbare Körper durchkreuzten ihr Blickfeld. Sie wusste nicht, ob sie zu ihr gehörten. Sie konnte sich selbst kaum sehen, ob das nun an ihren neuen Augen lag, an der Entfernung oder an der Undeutlichkeit ihres Körpers. Sie blickte weiter weg. War sie im Kreis gegangen? Manches kam ihr so bekannt vor. Sie hörte Stimmen:

„Er macht mich lustig!“

„Weißt du, dass es auch Leute gibt, die keine Kinder haben? Also Erwachsene?“

„Und ich war halt Trauzeugin … und dann bin ich mit meinem Vater angeln gegangen …“

„Was kann schon Schlimmes passieren?“

„I told my therapist – well, I told my other therapist …“

„Halt dich gut fest, gleich geht’s los, glaube ich.“

„Ich schlaf gar nicht … Ich mach die Augen zu, weil mir die Augen wehtun.“

„Ich seh das auch so. Ich hab nochmal mit der Nachbarin im ersten Stock geredet und sie hat schreiende Männer gehört und dann Angst gekriegt …“

„And this is the steepest slope that I’ve seen in my whole life.“

„Die S-Bahn bewegt sich! Die S-Bahn bewegt sich jetzt nach Humboldthain.“

„Da liegt ne schöne Spritze im Gleis.“

„Na, naja, der David war dann Regisseur“

„Genau so. Man hat da so ne Struktur …“

„Ich muss nur den Prozess verstehen und das hab ich noch nicht.“

„Bewusstseins- … Bewusstseinserweiternde Sachen. Mhm“

„Teil meines Tages ist Espresso mit einer Kugel Vanilleeis.“

„Ich freue mich auf morgen, wisst ihr, warum?“

„…mhm … ich warte noch sehnsüchtig …“

„Wollen wir die Straßenseite wechseln? Wegen der Sonne?“

„Na, hallo Klaus“

„Das soll sie jetzt nicht als Beleidigung aufnehmen, sag ich ihr auch …“

„Ich finde, wir sollten’s essen.“

„CBD wirkt ja nur so, wie, Gelenke und Nerven und so, das macht dich aber nicht high …“

„Wenn die kaputt werden, dann steht da vielleicht drauf: Schluss. Hier fahren keine Züge mehr.“

„Die hatte so Beinhaare, Digga, die hatte Dings, Achselhaare“

„Ist ganz schön kühl jetzt geworden … Küstenwetter“
(lacht)
„das haben wir in Gießen immer gesagt, Küstenwetter. Als wir in Gießen Fahrrad gefahren sind“

„Digga, du hast mich gekickt!“

„… gesagt, ich soll wenden. Dann bin ich einmal im Kreis gefahren und jetzt bin ich wieder hier.“

„Can I have a look at the other shop?“ – „You can do whatever you like, baby.“

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